
Vom Internet, menschlicher Nähe und einem Lieblingssyrer
Hallo, liebe S.,
ich kann mich hier jetzt austoben, denn du bist für eine Woche offline! Komisch, oder?
Wie abhängig man vom Internet ist, anstatt ein Buch zu lesen, gucke ich in mein Tablet und bleibe dort hängen, irgendwas gibt es zu lesen, immer, ob wichtig oder nicht.
Es ärgert mich fast. Ich hab jetzt meinen Schlepptopp hochgefahren, weil ich über meinen Lieblingssyrer und sein Exil berichten wollte, aber ich merke, das ich stolper, keinen Schreibfluss habe.
Wen interessiert ein syrischer junger Mann, der vor 3 Jahren im Libanon untergetaucht war,weil er nicht unter Assad töten wollte, der dann im Libanon ausgewiesen wurde(they took all my papers, i don`t know where to go!!!), der mir Emails schrieb, mit den Worten „was soll ich tun? Gestern haben sie mich mitgenommen“, „they did things to me, i can not talk about“ , der innerhalb von 4 Tagen den Libanon verlassen musste, aber noch nirgendwo Exil hatte. Wer will wissen, das ich das gesamte Wochenende damals damit verbracht habe,an die deutsche Botschaft in Beirut zu schreiben, an Amnesty , an Schriftstellerverbände(M. ist Journalist), ob es nicht die Möglichkeit auf ein Kulturvisum gäbe, und der einzige , der mir antwortete, war der von mir so sehr verehrte Schriftsteller Reiner Kunze. Der schrieb, dass ihn die Geschichte von M. betroffen macht, er aber mit seiner Stiftung nichts tun könne. Und ein paar Tipps, an wen wir uns wenden könnten.
Letztendlich hat M. dann in Frankreich über das „Maison des journalistes“, ein Visum bekommen und lebt seitdem in Paris. Mittlerweile ist seine Frau nachgekommen und seine Eltern haben in Deutschland Asyl bekommen.Seine Geschwister sind in Holland. Die Familie seiner Frau ist in Schweden. Zerrissene Familien.
Aber eigentlich komme ich darauf, weil das Internet es schafft, Kontakt herzustellen, in kürzester Zeit, und dich nicht allein lässt. Wenn an der anderen Seite jemand hängt, der ein Auge für dich hat, für deine Worte, die du gerade schreibst, der online geht, wenn ein Hilferuf kommt, oder der ein Lächelnsmiley schickt, einfach mal so. Jemand den du kennst, der dir dann über Google ein bisschen Wärme zukommen lässt. Und du kannst diese Worte wieder abrufen.
Und dich erinnnern. Und deshalb auch nicht vergessen.
So geht es mir, wenn ich M.s Mails lese.Und wenn ich mit Menschen skype, die soweit weg sind, wie meine SchönsteTochter oft. Sie ist dann gar nicht mehr so unerreichbar fern.
Und ohne dieses Internet hätten wir , du und ich, uns womöglich niemals wiedergefunden. Oder meinst du, das das Schicksal es gewollt hat, dass wir uns wiedersehen, und wir wären uns zufällig in deiner Stadt begegnet, in der ja mein GrösstliebsterSohn lebt und studiert, und den ich manchmal, viel zu selten, besuche? Dann wären wir uns vielleicht am veganen Bratwurststand über den Weg gelaufen. Hätten wir uns wieder erkannt? Ich dich schon. Da bin ich mir sicher.
Alles liebe für die zeit des internetfastens! Es kann vielleicht auch schön sein, so schön wie eine Schweigewoche im Kloster.
Hugs and kisses, wie mein Lieblingssyrer immer schreibt, i miss you so much! This is true. (Stimmt)
❤ ❤ ❤ Kat.
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