So rumdenken über Häuser und Zäune

Liebe S.,
ich hab Urlaub und ich denke.
Ich denke, warum stehen Häuser lange leer, über Jahre, schöne alte Häuser, die dann aber, nachdem sie viele Jahre leerstanden, abgerissen werden?
Es beginnt schleichend. Erst sind die Jalousien nur hin und wieder einige Tage runtergelassen. Dann verwildert der Garten, ist aber dann irgendwann wieder gerichtet. Im Winter steigt manchmal Rauch aus dem Schornstein.

Dann sind die Rolläden länger runter, für Monate, der Garten wird weiter gemäht, aber die Blumen verdorren. Die Verandamauer bekommt Risse. Monat für Monat reisst sie mehr ein. Würde das auch passieren, wenn jemand drin lebte? In dem anderen Haus bröckelt der Putz von der Mauer. Wie passiert das? Ist ein Haus traurig, wenn es nicht belebt wird, und verfällt dann freiwillig?
Manchmal möchte ich Briefe schreiben und in den Briefkasten werfen, um zu sagen, ich würde hier gerne drin wohnen. Brauchen Sie mich?
Aber ich weiss, wenn sich die Erben geeinigt haben, wird dieses Haus abgerissen werden und ein hochmodernes Mehrfamilienhaus wird drauf gebaut. Und dann machen sie Zäune rum.

Und zwar diese Zäune, die jetzt modern sind.

Pass auf: vor 3, 4 Jahren wurden Zäune gebaut, in die man Steine reinstopfte, kennst du sowas? Die waren doppelt, die Zäune und man konnte nach und nach Steine reinfüllen. Hübsch fand ich sie nicht,wahrscheinlich waren sie auch zu teuer, denn jetzt stehen überall so Drahtzäune rum, an sich recht hübsch, aber weil die die Blicke durchlassen, flechten die Leute Folien da rein. In versetztem Muster oder ganz gerade, oder  nur oben, weil unten diese Koniferen als Sichtschutz wachsen dürfen, und ganz schlimm sind die Folien, die bedruckt sind.
Bei uns sind Steine drauf gedruckt! Ich wohne zur Miete! (Jetzt hätte ich gerne das Smiley was so die Augen aufrreisst und die Hände ans Gesicht hält, vor Schreck). Die mit Steinen bedruckte Folie ist also der günstigere Kompromiss zu diesen steingefüllten Abgrenzungen.

Warum gibt es kaum noch Holzzäune?
Wo die Gartentür irgendwann schief in den Angeln hängt, und quietscht? Vielleicht deshalb, alles muss korrekt sein, und deshalb reisst man auch diese alten Häuser ab, ach…..
Dabei würde ich so gerne in so einem wohnen. In so einem alten Haus mit Geschichten.

Und apropos Zaun, in unserem Nebengrundstück wurde der Zaun erhöht, auf 2.50 oder so, aber mit einem grünen Maschendrahtzaun, damit unsere Katze nicht mehr drüber steigt. (Hat sie NIE! getan) und um die Gartentür wurde Stacheldraht gewickelt. Damit sie nicht auf die Idee kommt, da womöglich drüber zu klettern.
Warum brauchen Menschen solche Grenzen? Und warum verfallen Häuser und verlieren sich dann auch die Geschichten, die darin passiert sind? Und warum vergesse ich sofort, wenn was neues dort steht, wie das alte aussah?

Bin irgendwie sehr in Gedanken gerade, Zäune,… hmm……
Liebe Grüsse
Kat.

Ein neues Fahrrad

Liebe S.,
ich habe mir ein neues Fahrrad gekauft.

klar, mein Altes Fahrrad hat es noch getan, es hat auch noch gut getan. Es war 16 Jahre alt, mehrmals überholt, mehrmals geölt, und ich bin tapfer mit schlechter Gangschaltungsübersetzung die Hügel hoch geschnauft, und hab die Gangschaltung krachen lassen, dann flog die Kette raus, ich hatte ölige Finger, aber es fuhr treu und unermüdlich.
Egal, aber jetzt musste ein neues her.

Zuerst wollte ich so ein Retrofahrrad haben, mit breiter Gabel,  breitem Sattel, weisst du, so wie in der guten Alten Zeit, hinten und vorne ein Körbchen.Ich hätte Blumen drin transportiert und wäre so durch die Lande gezuckelt.
Der Fahrradverkäufer hat mich angeschaut und gesagt:Was willst du denn damit machen? Willst du denn nur gut aussehen und Blumensträusse transportieren oder willst du Fahrrad fahren? Den Klinkerberg (eine Anhöhe in der Stadt) kommt man damit mal gerade so hoch! Aber nur knapp!
Ich sag: Eigentlich will ich ja schon fahren. Aber es ist so hübsch, wie es da steht, so mit seiner braunen Farbe und dem Körbchen….Schwarz wäre es auch okay….Rosa habt ihr nicht?
Und in meinen Augen haben diese Herzen geblitzt, wie bei diesen Smileys, blinkblinkherzherz…
Der Lieblingsitaliener hat gesagt: Du willst doch sportlich fahren! Und nicht nur kurze Strecken!
Stimmt, hab ich gesagt, ich will durch die Dörfer fahren, an den Seen vorbei, an den Bauerngärten im Sommer, da wäre ja ein schnelles Rad besser. Und ich hab noch einmal ein Augenherz zu dem schwarzen Retrofahrrad gesendet und hab mich weiter umgeschaut im Fahrradladen.

Und da stand es: Rot, mit orangem Schriftzug der Name des geflügelten Pferdes auf den Rahmen geschwungen, und es stand da, als würde es auf mich warten. 28 Gänge, niedriger Einstieg, Preisreduziert, wunderbar.

Willst du es gleich ausprobieren, hat der Fahrradverkäufer gefragt, und ich hab mich drauf gesetzt und bin über den Parkplatz gefahren, und es war, als gehörten wir schon immer zusammen.
Klingt blöd , oder? War aber so. Ich hab es gekauft, und bin damit nach Hause geradelt und hab bereits 200 km insgesamt erradelt, mit meinem geflügelten Roten Blitz, und gestern hab ich ganz easy an einem Berg Leute überholt, und die sind mir ausgewichen, und der Mann hat gelacht und gesagt: Und das ganz ohne Batterie, und ich hab mich umgedreht und gegrinst, und dann bin ich davon geschossen , weil es bergab ging und ich freue mich jeden Tag aufs Fahrradfahren.

Es hat sich gelohnt, mal eine neue Anschaffung zu wagen, auch wenn das alte noch „pfenningguat“ ist.
Liebe Grüsse von der durch Rapsfelder radelnden
Kat.

Von Maria und Erntedank

Liebe S.!
wir wollten doch eine Marienwallfahrt zusammen machen, erinnerst du dich? Wir haben das mal fantasiert. Heute war ich in der Moritzkirche in Augsburg. (Siehe meinen Blogbeitrag auf meinem wechsel-zeiten.blog).
Und dort sah ich sie, diese wunderbare Maria.
Die Moritzkirche ist eine besondere Kirche und es gibt, wie in allen katholischen Kirchen, kleine Seitenaltäre, in denen man still sein kann, Kerzen anzünden kann, sich auf eine Bank setzen zum Beten, ich mag das…..

Nachdem wir diese wunderbare Kirche auf uns haben wirken lassen, die SchönsteTochter und ich, sind wir in diesen kleinen Seitenaltar gegangen.Kerze anzünden muss sein, wenn wir in einer Kirche sind.

Mein Kleingeld klöterte sehr sehr laut in den Opferstock, und dann warf die SchönsteTochter auch noch Geld ein, so zündeten wir also 3 Kerzen an. Vielleicht die dritte für dich? Magst du?
Zu Füssen dieser wunderbaren Maria haben wir die Kerzen angezündet, und ich dachte, wir, du und ich, könnten eigentlich unsere Marienwallfahrt hier, in Augsburg,  beginnen.
Im AugsburgerDom steht eine wunderbare Maria, die mir immer mein Herz erwärmt und von der ich glaube, dass sie mir hin und wieder zugezinkert hat, wenn ich besonders verzweifelt bei ihr Rat gesucht habe.
Und dann steh ich da in dieser Moritzkirche, und da leuchtet SIE in dem Licht, das durch das Fenster hineinfällt. Und ich finde SIE wunderschön, in ihrem silbernen Leuchten.
Und just in diesem Moment meiner Ergriffenheit betritt ein altes Weiblein die Seitenkapelle, murmelt:Heilige MutterGottes,voll der Gnaden, gebenedeit…. und ruft aus: Wie schön du bist! Heilige MutterGottes!Und fragt, an uns gewandt: Es ist wegen ErnteDank, oder, das sie so schön ist….

Und entfernt sich murmelnd: Heilige MutterGottes, wunderschöne MutterGottes,….
Und ich denke, ja, Ernte Dank, morgen ist ErnteDank, wir haben allen Grund zu Danken, ICH habe allen Grund zu Danken, für alles, für das Brot, was ich habe, für die Menschen, die ich kenne, für all die Liebe, die mir begegnet.
Starten wir unsere Wallfahrt hier, was meinst du?
Es gibt hier auch ein Pilgerbüro.
Wann machen wir uns auf den Weg?
Voller Liebe, …

Deine Freundin Kat.

Sehnsuchtsorte

Liebe S., ja England, da haben wir beide unsere Sehnsüchte. Ich war öfter da, und das schönste war die Cornwallwanderung mit dem JüngstLiebstenSohn vor 3 Jahren. (Siehe Fotos).
Und das erste Mal Cream Tea hab ich gegessen, als die LiebsteEnglischeFreundin in einem alten Bauernhaus Namens „Red Lands“ lebte.
Diese englischen Häuser haben immer Namen,das find ich toll, sie lebten auch mal in einem Fertighaus, das hiess „The Box“.
Also,  vor 20 Jahren, wir machten einen Ausflug und sassen in einem Ausflugscafe  und ich wollte CreamTea essen und danach war mir aber leider übel. Hefeklumpen und gebutterte Sahne. Das beste war der Tee. Verzeih mir, aber das war nicht das wahre für mich.
Das war eben wie gesagt vor genau 20 Jahren, Farmerhaus Redlands, und da klingelte das Telefon bei meiner LiebstenEnglischenFreundin und sie stiess einen Schrei aus: „What happened?Di is dead?“
Und dann sassen wir die ganzen nächsten Tage vor dem Fernseher und ich lernte , was die Wörter funeral bedeuten und mourning.
Später reisten wir dann weiter und übernachteten in Königstreuen Bed and Breakfast Unterkünften und ich war erstaunt über plüschiges Ambiente, dicke Teppichböden und Keramiktassenmit dem Konterfei der Queen und Bilder der Queen und Prince Philipp an allen Regalen, Schränken und Wänden.
Ich besuche sie , meine Freundin, dann fast alle 2 Jahre wieder und ich liebe diese Gegend, in Somerset, und diese alten Orte. Vielleicht gründen wir da in 20 Jahren unsere OldLadiesWohngemeinschaft? Was meinst du?
Und ich mag es auch,wenn es dort regnet und kalt wird. Aber das wird es hier ja jetzt auch. Liebe Grüsse und mach dir nachher, wenn du von der Arbeit kommst, einen schönen warmen Tee! Deine Kat.

 

Vom Meer so blau…

Liebe S.,
der Alltag beutelt mich seit 4 Wochen wieder , heute hab ich geschafft, meine Fotos vom Urlaub zu sichten. Wir waren eine Woche auf Zypern, in der Nähe von Paphos.
Paphos ist Kulturhauptstadt 2017, das wusste ich vorher gar nicht.

Eigentlich hat es mir widerstrebt, dort Urlaub zu machen, am Mittelmeer, auf dem Menschen in wackeligen Booten zu Tausenden ihren nicht mehr aushaltbaren Lebensumständen entfliehen und ertrinken. Und ich stehe an diesem Meer und halte meine Füsse rein und entspanne mich. Aber ich kann nicht die ganze Welt meiden, nur weil überall schreckliche Dinge passieren oder passiert sind.

Am ersten Abend hab mich unter einen Felsen gestellt,  auf die Wellen geschaut und an diese Dinge gedacht und hab ganz viele Kraftgedanken geschickt. Manch einer nennt das vielleicht auch beten.

Am nächsten Tag fuhren wir nach Paphos und entdeckten an der Strandpromenade diese von verschiedenen Künstlern bemalte Idol von Pomos , die auch auf dem zyprischen Euro drauf ist.
Und das hat mich sehr bewegt. Es wurde auf diesen Figuren soviel thematisiert, und das am häufigsten benannte Thema war Frieden. Diese Figuren wurden nicht nur von anerkannten Künstlern gestaltet, sondern auch von „normalen „Leuten, Schulklassen vielleicht- ich war echt begeistert. Und im Hintergrund dieses blaue unschuldig wirkende Meer, auf dem soviele Kämpfe gekämpft wurden, in grossen Booten, auf Schlachtschiffen, in Schwimmwesten.

Ach, S., ich kann doch die Welt nicht retten, aber ich kann ein bisschen was verteilen vom Friedensgedanken und wenn dann da solche 100 oder weiss ich wieviele Idole da stehen und ich spüre die Kraft dieser Wünsche, die da visualisiert wurden, dann bin ich froh, das es andere auch gibt, die ebenso so denken.

Was meinst du dazu? Liebe Grüsse Kat.

Weiterpaddeln, weiterlernen, weiterdenken, yeah!

Doch noch nicht in SommerUrlaubsPause!

Liebe S., ich hab mich für ein Webinar angemeldet.
Was ist das, dachte ich. Da kriegt man vielleicht Vorträge , die man lesen muss….?
Naja, heute hab ich mich mal dran gesetzt, ich hab erst nicht kapiert, wie das funktioniert. Es sind schon Vorträge, aber die muss ich nicht lesen, diese Vorträge wurden bereits gehalten und somit mir vorgelesen,  und ich kriege die Präsentation auf mein Laptop.

Thema: Webinar zur pflegerischen Versorgung geflüchteter Menschen.

Erster Beitrag: Traumata.
Ich bin so berührt, S., dieser Psychologe hat so super gesprochen, und ich bin entsetzt darüber, wie wenig  wir die Seele dieser Menschen erkennen wollen, wie leichtfertig wir sie abkanzeln in ihrem Verhalten und in ihrem Rückzug, und wie wenig wir bereit sind, da mal hinzugucken, und zu spüren, was vielleicht passiert sein könnte mit ihnen.
Denn sprechen tun die wenigsten darüber.

„They did things to me, i can`t talk about“   Lieblingssyrer, 2013.

Und S., ich mach jetzt zwar meine Onkologie Fachweiterbildung, aber das heisst nicht, das ich nicht auch noch dazu lernen kann, wie man mit Menschen, die NICHT OHNE GRUND herkommen, auch im Krankenhaus mit Wertschätzung umgehen sollte.
Es gab nämlich auch im Klinikalltag der letzten Jahre immer wieder Situationen, gegenüber Geflüchteten, die ich nicht gut fand, und bei denen ich das Bedürfnis hatte, meinen Kollegen klar zu machen, was überhaupt los ist, und mit diesem Webinar krieg ich wieder bisschen mehr Wissen, und Wissen ist Werkzeug und Macht. Gell?
Bin ganz Feuer und Flamme!
Und morgen ist dann endgültig Abflug, yeah!

Kat.
Dieses Webinar ist auch vielleicht für Nichtpflegende interessant.Zum besseren Verständnis.

 

Fremde Gärten

Liebe S.,

ich bin geradelt heute früh. Weil mir nämlich der JüngstLiebsteSohn, der SportAdditum macht in der Schule, erklärt hat, dass es nichts bringt, wenn man nur Krafttraining macht, sondern Ausdauertraining sei wichtig.  Besonders mit zunehmendem Alter, wenn die Pfunde purzeln sollen.
Und so gehe ich seit 3 Wochen im Fitnesstudio eisern auf den Crosstrainer, und zwar 40 Minuten, Herzfrequenz 140, schnaufschnaufschwitz…. und mach dann ein wenig Muskelstärkung. Oder, wenn es die Zeit erlaubt, fahre ich mit dem Radel zu meinem Nebenjob. Dank meiner Supercoolen Fahrrad- App weiss ich jetzt auch , wieviel Kilometer es sind (6,9 einfach), welche Steigung (121 meter) wieviel Zeit (Hinweg 32 Minuten weil Steigung hinauf, Rückweg 21 Minuten weil Steigung hinab) und wieviel Kalorien ich dabei verbrauche (egal!).

Es ist ein wunderschöner Weg dorthin, durch die Dörfer, über die Wiesen, an einem Bächlein entlang. Ich schaue beim Fahrradfahren in die Gärten. Wie verschieden Gärten sein können!

Manche sind sehr klar und strukturiert, mit weissen Kieseln ausgelegt, schnurgerade Wege, ein einsamer Buddha auf einer Betonplatte.
Andere zeigen, dass sie vor Jahren mit Planung angelegt wurden, mittlerweile verwildern und verwuchern sie. Vermooste Betontreppen, überwachsene Gartenwege. In einem steht ein Pavillon, erinnert an eine Weinlaube aus den 70er Jahren, der Garten ist winzig, aber die Weinlaube findet ihren Platz.

Dann gibt es die Gärten der neugebauten Häuser, mit niegelnagelneuen Schaukeln drin, und Sandmuscheln. Für die neue junge Familie.

Ich male mir dann aus, wer wohl in den Häusern zu diesen Gärten wohnt, was sind das für Menschen und welche Geschichten haben sie?
Im Moment blüht so viel, es wuchert, ich liebe die Kletterosen an den Mauern der alten Häuser, ich liebe den Phlox, der in den alten Gärten überbordend blüht.
Nach 8 Jahren in Schwaben hab ich bereits Erinnerungen an Häuser, die einst an Stellen standen, zu denen ich fuhr im Pflegedienst, und die alten Leute versorgte, die dort drin wohnten, mit Holzofen und fliessend kalt Wasser.

Diese Häuser mussten neuen weichen, mit eben  kleinen Gärten aus geraden Steinplatten und mit Metallzäunen.
Schade, denk ich dann, und denk an den alten Mann, der mit 86 sein Holz zum Heizen reinschleppte trotz wehem Fuss und dessen Sprache ich kaum verstand, weil er ein Hiesiger war, und ich nicht, aber gelacht miteinander haben wir trotzdem.

Was für schweifende Gedanken!

Ich radel weiter durch die Gärten, denn auf dem Crosstrainer denk ich nicht so schöne Gedanken!

Liebe Grüsse

Kat.

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Europa

Liebe S.,
das Beitragsbild ist von Sonntag, als es noch echt widerliches Wetter war. In Augsburg war Europatag, auf dem Rathausplatz standen viele Leute rum und machten Werbung für Europa. Ein Chor sang europäische Nationalhymnen, allerdings weiss ich nicht, warum mich bei sowas immer gruselt. Und gleichzeitg `ne Gänsehaut an mir runterschauert, huuuu….

Ein Wohlbeleibter Mann trug ein blaues Tshirt, über seinem Bauch prangten in gelber Schrift die Worte: „Ich bin Europa, Baby!“
Naja, dachte ich, dich hätte Zeus nicht ergriffen und woanders abgesetzt um einen Kontinent zu benennen!

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„Vertragen durch Verträge“, hmm, das ist auch ne komische Losung, oder?

Ich habe mich danach aber vorbildlich europäisch verhalten.
Ich hab meine Mentee getroffen( im Rahmen eines tollen Projekts, man hilft Menschen mit Einwanderungshintergrund oder Fluchtgrund, im Deutschen Arbeitsmarkt Fuss zu fassen.)
Ich betreue eine rumänische Krankenschwester, die so alt ist wie meine SchönsteTochter, und meine Aufgabe ist es im Moment, ihr zu sagen, das sie sich was zutrauen kann, weil sie super Deutsch spricht, und mit ihr Pflegezeitschriften zu lesen und über den Alltag in deutschen Kliniken zu sprechen. Denn ihre Anerkennung läuft noch, und ohne Anerkennung kein qualifizierter Berufseinstieg.
Auch das ist Europa!
Jetzt widme ich mich meiner Anerkennung, das bedeutet ich lerne jetzt! In zwei Wochen ist Prüfung! Und ich werde ein gutes Ergebnis vorweisen ! Yepp!

Liebe Grüsse Kat.
Ach ja, und morgen ist Internationaler Tag der Pflege! Ich bin dabei! ❤

Seifenblasen auf der B17

Liebe S.,

Kennst du das, wenn du am liebsten das Radio aus dem Auto werfen möchtest? Warum gibt es auf meinem Alltagssender, der anspringt, wenn ich ins Auto steige, immer Gekreische und Gejauchze : aaaaaahh, ich fass es nicht, wie geil ist das denn oh mein gott oh  mein gott oh mein gott…..
Und das immer mit einer verzerrten Telefonstimme. Es müssen unglaublich viele Gewinnspiele ablaufen, morgens werden dann werden die Leute aus dem Schlaf geweckt, es wird ihnen verkündet, dass sie ein Wochenende mit Ed Sheeran gewonnen haben, oder eine Reise zum nächsten Fussballspiel, oder 33333 Cent, und dann kreischen und quietschen sie und ich .. ?
Ich bin neidisch. Ich hätte auch gerne ein Wochenende mit Ed Sheeran, das wäre schön, seufz, mit 33333 Cent auf einem Fussballplatz meiner Wahl.

Was hilft gegen das Gekreische ? Radio aus machen, im Stau stehen, selber vor mich hin summen, und erstaunt sehen, das an meinem Autofenster Seifenblasen vorbeifliegen.

Das war heute ein Erlebnis der besonderen Art.
Seifenblasen auf der B17.
Vor meinem Autofenster.

 

Grüsse Kat.

 

Brief an meinen Onkel Willi

Liebe S.,
das ist ein Brief im Brief. Ich habe mich gestern auf den Weg gemacht, wieder ein bisschen Familiengeschichte rauszukriegen, was ganz oft in gelöster Traurigkeit endet. Und mich dann mit denen, die DA sind, zusammenbringt. Meine Cousine, meine Schwester,… wir tauschen uns dann gemeinsam aus.

Und was mir noch dazu einfällt:In einem der letzteren Beiträge
schrieb ich: Es muss doch mal gut sein. Und ich dachte auch immer : Kriegsgräberfürsorge, müssen wir uns denn ständig erinnern? Meine SchönsteTochter, die Friedens-und Konfliktforscherin, sagte mir:“Es ist erst gut, wenn das Unrecht benannt wird.Dann kann Vergebung erfolgen. “
Ja, und ich bin froh, dass es die Kriegsgräberfürsorge immer noch gibt, denn sonst hätte ich einen Teil meiner Geschichte nicht gefunden.

Liebe Grüsse an dich…, arbeitest du wieder?

Ich hab ein faules verregnetes ForscherWochenende vor mir.
Deine Kat.

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Lieber Onkel Willi,

ich kenne dich nicht. Als ich geboren wurde, warst du ein stiller Teil meiner Familiengeschichte. Wenn über dich gesprochen wurde, dann voller Traurigkeit, und die einzigen Informationen, die ich hatte, waren: 

Gefallen im Krieg, auf einem Soldatenfriedhof in Trier beigesetzt, das was von dir übrig war.
Du warst das drittälteste gemeinsame Kind meiner Grosseltern, von insgesamt 8 lebenden, und einem Sohn, den die Grossmutter mit in die Ehe brachte.
Als der Krieg begann, lieber Onkel Willi, warst du 14. Dann irgendwann bist du zu den Fallschirmjägern gegangen, und wurdest im Dezember 1944 an der Westfront abgeschossen.Du warst 19.
Ich hab oft an dich gedacht, denn ich hab die Trauer meines Vaters , dessen  Bruder du warst, immer irgendwie gespürt. Als ich klein war, hat mein Vater eine Reise nach Trier unternommen, um dein Grab zu besuchen.

Weisst du wie diese Soldatenfriedhöfe aussehen? Da steht ein Kreuz neben dem  andern, ohne Namen, unzählige Kreuze, in der Mitte des Friedhofes steht manchmal eine Statue oder ein Gedenkstein, in den sind Namen eingraviert, Namen derer, denen man gedenkt.
Als Kind bin ich manchmal auf den Soldatenfriedhof meiner Heimatstadt gegangen, ich hab die Namen gelesen, und gehofft, deinen darauf zu finden, um meinem Vater sagen zu können: Du musst deinen Bruder nicht suchen, der ist hier, bei uns.

Aber es waren zu viele Namen.
Dann irgendwann, fuhr mein Vater nach Trier.Als er zurückkam, hat er gesagt: „Ich hab sein Grab nicht gefunden. Da sind so viele Namenlose Gräber.“
Du warst also immer noch verloren.
Gestern kam mir der Einfall,  einen Ausflug zu planen, nach Trier. Trier soll eine schöne Stadt sein und ich hab Lust auf eine Reise. Ich hab also SoldatenFriedhof Trier gesuchmaschint, es standen dort unglaublich viele Namen, aber deiner war nicht darunter.
Ich war traurig, ich dachte, wo ist er denn dann? Ich hab weiter gesucht, deinen Namen eingegeben, Willi S. gefallen, Wilhelm S., gefallen, es kamen Seiten mit so vielen vielen Wilhelm S., alle gefallen, aber wieder warst du da nicht drunter, dein Geburtsort stimmte nicht  mit einem der anderen überein.
Irgendwann stiess ich auf die Seite der „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge“ . Dort gab es eine Suchmaske, ich gab deinen Namen ein. Wieder nichts. Dann erinnerte ich mich, das dein jüngerer Bruder R. vor vielen Jahren einen Familienstammbaum erstellt hat. Dort war dein Geburtsdatum vermerkt. Und anhand dieser Daten fand ich dich. Ich fand deinen Namen, den Ort, wo du liegst, und eine kleine berührende Geschichte zu dir.(Hier ist es). Ich war traurig und froh zugleich. Ich hab dich gefunden. Ich weiss jetzt, wo du abgeblieben bist.
Du warst so jung, du warst 19, du hattest die Rechnung eines Anzuges, den du dir gekauft hattest, in der Tasche, deshalb wussten die, die dich fanden, wer du bist. Sie konnten deinen Namen auf dein Grab schreiben.
Du bist nicht einfach so verscharrt,du bist nicht in einem Namenlosen Grab verschwunden, du hast deinen Namen behalten, ich kann dort hinfahren, ich kann dort eine Blume niederlegen.

Meine Schwester hat eine Kopie der Traueranzeige vor ein paar Tagen angeschaut.
Zufall, das wir beide uns fast zeitgleich an dich erinnert haben? Du weisst, sie wohnt
800 km von mir weg, und wir haben selten mal über dich gesprochen. Auf der Anzeige steht, das viele um dich getrauert haben, lieber Onkel Willi, und vergessen bist du nicht.

Deine Nichte K.