Herbst III.-die dunkle Seite des Herbstes

Liebe S.,

Zuerst möchte ich ganz kurz zu deinem Rosa-Thema noch was sagen: Irgendwie ist es eine Mutter-Tochter -Geschichte, scheint mir. Ich hab, weil es ist ja Herbst und Vorlesezeit, ein Buch gekauft, das heisst :Märchen von Müttern und Töchtern zum Vorlesen. Und da sind die Mütter mit den Töchtern ganz oft in Konkurrenz, sie verkaufen ihre Töchter an Zauberinnen, damit sie die Chance auf einen Sohn haben, der dann König wird, sie verleugnen ihre Töchter, weil sie auf der einen Seite Angst um sie haben, auf der anderen Seite eine Konkurrenz in ihnen sehen. In dem einen Märchen, welches sehr skurril ist, es heisst:“Der Ritter der Herbstzeitlosen“, werden die verschenkten Töchter, die durch den Mondbogen geschickt werden, damit sie aus dem Weg sind,zu Herbstzeitlosen, die dann irgendwann die Krone des silbernen Ritters schmücken und die Mütter schmerzlich an die verlorenen Töchter erinnern. Ich hab es nicht ganz kapiert, dieses Märchen. Aber daran dachte ich, als ich das mit dem Rosa las, und dass das Rosa für deine Mutter reserviert war.
Ja, erobere es dir zurück – ich denke , es ist auch nur ein Sinnbild für eine gewisse Art der Emanzipation, die du dir gönnst.

Jetzt sind schon ein paar mehr Blätter vom Baum gefallen, als am Anfang der Woche, das geht so schnell.
Heute war ich in einem Stadtteil unterwegs, in dem sehr viele Menschen wohnen, die nicht sehr viel Geld haben. Die arm sind.Ich hatte beklemmende Gefühle, als ich sie sah, diese Menschen,die frühmorgens einsam in den Kneipen sitzen, die Frau , die ihre gebrechliche alte Mutter über die Strasse führt, der kranke Obdachlose, der an der Ampel Leute anspricht. Es gibt so Orte, an denen ist die Armut gehäuft. Da ist sie sichtbar. Wenn ich in der Innenstadt unterwegs, fällt sie nicht auf, die Armut. In Stadtteilen, die schon lange den weniger verdienenden Menschen vorbehalten sind, ist sie greifbar.Und wenn dann noch der Himmel Wolken verhangen ist, wenn das Licht trübsinnig macht, dann ist mir die Baufälligkeit, die Armseligkeit,  um so bewusster.  Wenn die Bäume nackt und ohne Blätter sind, ermöglicht der Herbst einen schutzlosen Blick in die Vorgärten, die Hinterhöfe, in die Fenster.
Das zu meiner heutigen Herbstmelancholie.

Lieben Gruss, Kat.

Aber sonst war heute ein toller Tag! (Vielleicht seh ich durch meine Brille auch einfach nur schärfer? Wer weiss!)

20 Kommentare

  1. Arabella · Oktober 26, 2016

    Dunkle Seiten haben Menschen, nicht Jahreszeiten.
    Im Einklang mit der Natur ist gerade diese Jahreszeit voller Werte.

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  2. Ulli · Oktober 26, 2016

    Liebe Kat., ja, es gibt diese Stadtteile und es macht mich immer besonders schuckelig und traurig, dass es Orte für die Reichen, für die Mittleren und für die Armen gibt, plus der Orte für die, die fremd im Land sind … Ghettoisierung und nichts anderes ist es! Der Reiche möchte den Armen nicht sehen, nicht den Fremden … schon wieder fällt mir das Buch „América“ von T.C. Boyle ein … bedrückend gut!
    Das ist die andere Seite des Lebens und es ist gut, wenn sie benannt und gezeigt wird!
    herzlichst
    Ulli

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    • kat+susann · Oktober 26, 2016

      Ich muss mir doch jetzt mal endlich dieses Buch besorgen! Ja, wir leben alle immer in unserer Glocke. Manchmal muss man die Augen öffnen und ganz genau hinsehen und es auf seine Art benennen und für andere öffnen. Ob das in Texten ist, in Bildern oder in Liedern – wichtig ist, dass wir es nicht übersehen. Finde ich. Kat.

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    • franhunne4u · Oktober 27, 2016

      Warum möchten die Reichen wohl nicht in der Nähe der Armen leben?

      Wenn Arme alles nur Leute wären, die halt einen schlecht bezahlten Job machen, oder krank sind und nicht für sich selbst sorgen können … oder eine kaum nennenswerte Rente bekommen …

      Aber diese rosane Brille habe ich nicht. Weil ich selbst aus dieser Schicht komme.
      Das ist eine Sozialromantik, die ich aufgrund dessen, was ich erlebe und erlebt habe, nicht teilen kann.
      Nur so zur Info: Ich bin in einer Familie mit einem Gewaltproblem aufgewachsen. Ich habe Drogen- und Alkoholsucht aus nächster Nähe erlebt. Ich weiß, wovon ich spreche. Im Gegensatz zu vielen Sozialromantikern, die dieses Milieu nur aus Erzählungen und Büchern kennen.

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      • kat+susann · Oktober 27, 2016

        Ich finde Armut nicht sozial romantisch.Es ist trotzdem unmöglich.,wenn wir, die mittelschicht,zu der ich mich zähle und auch die Oberschicht, die Augen verschließen und nicht sehen wollen.was abgeht und vor allem, warum es abgeht. Wir können nicht nur durch unsere glitzernden Einkaufszonen shoppen gehen und die augen schließen wenn wir ein paar Straßen weiter gehen, wo Abbruch, leid und verfall herrscht. Es gibt immer wieder Wohnviertel, in denen versucht wird allle Gesellschaftsschichten auf einem Raum Leben zu lassen. Das funktioniert. Weil ALLE bereit sind, was dafür zu tun. Und Gewalt und Drogenproblem gibts in allen Schichten. Die mit mehr Geld können es nur besser unter den.teppich kehren. Grüße Kat.💐

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      • franhunne4u · Oktober 27, 2016

        Ja, es gibt Gewalt in allen Schichten. Aber wo es in der Mittel- und Oberschicht Einzelfälle sind, ist es in der Unterschicht (wenn wir schon Mittel- und Oberschicht nutzen, sind wir auch bei Unterschicht – etwas, was ich persönlich versuche zu vermeiden – wir sollten nicht Ober- und Mittelschicht nutzen, weil es impliziert, dass es eine Unterschicht gibt – und das klingt nicht richtig) Bestandteil des Alltags.

        Schau dich um, ich tu es ja auch – und dass es eben nicht funktioniert, alle Gesellschaftsschichten auf einem Raum leben zu lassen, sieht man daran, dass diese Vorzeigestadtteile, in denen alle Schichten angesiedelt werden, sich nach einem Jahrzehnt separiert haben. Entweder ziehen die, die es sich leisten können, weg, oder die ganze Gegend wird gentrifiziert, weil die Mieten steigen und die ärmeren Bewohner damit ausgepreist werden.

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      • kat+susann · Oktober 27, 2016

        Möglich. Ich hab jahrelang in so einem „Projekt“ gelebt. Es gibt sicher Fluktuation dort, aber meine Kinder sind damit aufgewachsen, dass alles moglichsein kann. Und dass auch die Migranten die zu 6. In 2 Zimmern wohnen, herzenswarme Menschen sind, und der Sohn von der depressiven Mutter und dem schlagenden Alkoholkranken Vater zwar Hilfe bei Mathe braucht, aber super im Wald Höhlen bauen kann und meinen Sohn vor gewalttätigen Banden verteidigt hat. Wenn wir immer wieder ein miteinander wagen, klapt es zumindest in einem kleinen Teil. Daa ist meine Meinung. Die ganze Welt retten, klappt eh nicht aber die paar Meter um mich rum,da kann ich was bewirken.Ohne ne heilige sein zu müssen 😀lieben Gruß! Kat.

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      • franhunne4u · Oktober 27, 2016

        Du kannst nur da helfen, wo Hilfe gewollt ist. Wenn Leute stolz darauf sind, Prolls zu sein, wenn es ihnen erstrebenswert erscheint, keinerlei Umgangsformen zu beachten (und ich rede hier von ganz simplen Sachen, andere nicht anzurempeln, andere nicht anzuschreien, andere nicht zu schlagen) … wie willst du denen „helfen“, die meinen, sie brauchen keine Hilfe?

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      • kat+susann · Oktober 27, 2016

        Meine Chefin im pflegediens t hat einen tollen satz mal gesagt: die leben seit Jahrzehnten in ihrem eigenen Biotop, da können wir sie nicht einfach rausholen. Also: jeder sein Recht auf Selbstbestimmung aber auch die Chance, was ändern zu können! Mein ich.😊

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      • franhunne4u · Oktober 27, 2016

        Eben, die leben in ihrem Biotop – sie haben sich teilweise selbst ghettoisiert.

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      • Ulli · Oktober 27, 2016

        Ich habe die ersten 11 Jahre meiner Kindheit ebenfalls in einem solchen Milieu gelebt, ja, es gab die Gewalt und die Suchtprobleme, aber die gibt es auch bei Reichen, nur besser versteckt, das zum einen. Das andere ist, dass sich durch die Ghettoisierung die Probleme und die Gewalt verstärken, weil sich die Menschen unnütz, unwert fühlen, ihr Neid wird hochgekocht und führt zu vielen Übeln. Ich bin keine Sozialromatikerin, aber ich glaube, dass sich vieles wandeln kann, wenn der Wille dafür da ist!

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      • franhunne4u · Oktober 27, 2016

        Der Wille muss aber vor allem bei denen da sein, die sich wandeln sollen. Du kannst ein Pferd zur Tränke führen, du kannst es nicht zum Saufen zwingen.

        Und es ist ganz einfach, warum Alkoholismus und Drogensucht in ärmeren Stadtvierteln weiter verbreitet sind. Wenn die Sucht so weit fortgeschritten ist, dass man kein „funktionierender“ Süchtiger mehr ist, dass man keinen Job mehr ausüben kann, dass man sein Leben vom Staat, von Almosen oder durch illegale Aktivitäten finanzieren muss, dann lebt man dort, wo die Mieten niedrig sind. Und – Angebot und Nachfrage – die Mieten sind dort niedrig, wo sonst keiner wohnen will.
        Der Wille zum Wandel muss von den Unterpriviligierten kommen (hier kann ich mit dem Unter leben, weil es sagt, dass andere nicht besser, sondern nur besser ausgestattet sind) – nur, wenn ich an meiner Situation etwas ändern will, wenn ich bereit bin, manches in meinem Leben zu opfern, um anderes in meinem Leben zu ermöglichen, nur dann kann ich Änderung erwarten.

        Und zu diesen Opfern (an Freizeit, an sofortiger Bestätigung etc.) sind manche Leute einfach nicht bereit. So wie ich in einer schlampigen Wohnung lebe, weil ich einfach meine Zeit daheim nicht mit Putzen verbringen mag und nur das Nötigste tue, damit meine Freunde sich noch reintrauen, Handwerker nicht gleich einen Hazmat-Zuschlag verlangen und ich nicht komplett den Kampf verliere, so müssen eben auch die Leute in den ärmeren Vierteln damit leben, dass billige Mieten bedeuten, dass die Vermieter nicht groß in die Häuser (z.B. durch einen neuen Anstrich) investieren, dass die Stadt keine Grünanlagen pflegt, weil die sowieso zerstört werden und dass in die Nachbarwohnung eben jemand einzieht, der sich auch nix anderes leisten kann und vielleicht die eine oder andere Vorstrafe hat wegen Eigentumsdelikten, Sachbeschädigung und Körperverletzung, dem es daher schwer fällt, nach der Haft eine Arbeit zu finden und der deshalb eine gute Chance hat, in sein altes Verhalten aus Frust und Not zurück zu fallen.

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      • kat+susann · Oktober 28, 2016

        UIUIUIUI.. da hast du ja einiges erlebt und sehen müssen..
        S.

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      • franhunne4u · Oktober 28, 2016

        Davon kannst du ausgehen. Und es war noch nicht das Schlimmste, was ich persönlich erlebt habe, es gibt Familien, in denen lief es noch viel, viel schlimmer ab. Meine Eltern waren wenigstens immer darum bemüht, selbst Geld zu verdienen – das haben sie an ihre Kinder weiter gegeben. Nicht jede Familie in diesem Milieu kann diese Einstellung vorweisen.

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      • kat+susann · Oktober 28, 2016

        Die Reichen möchten nicht in der Nähe von Armen leben.. also wenn es denn DIE Reichen und Die Armen gibt.. und ich denke ja auch immer alle Schattierungen mit… also wenn.. dann kann es daran liegen, dass Die lieber unter sich sind… und auch nicht daran erinnert werden wollen wie gut es ihnen geht.. und das sie anderen helfen können..
        Es gab mal n Spruch dazu
        Brot für die Welt und die Wurst bleibt bei mir…
        S.

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      • franhunne4u · Oktober 28, 2016

        Wir werden uns wohl darauf einigen müssen, dass wir uns uneins sind. Ich finde genau wie du, dass es alle Schattierungen von Reichen und Armen gibt, die Superreichen, die den amerikanischen Staat dazu aufrufen, Reiche mehr zu besteuern genauso wie die, die in Offshore-Accounts ihre Moneten bunkern, die Armen, die sich Mühe geben, ihr Leben zu meistern – und die Armen, die der Meinung sind, sie haben ein Recht darauf, Zucker in den A… geblasen zu bekommen. (Nein, diese sind NICHT die Mehrheit, sondern eine winzige Minderheit, das weiß ich wohl!) Aber ich finde, dass man sich immer bewusst sein sollte, dass die Gemeinschaft davon lebt, dass wir alle nach unserem Können dazu beitragen. Deswegen beschwere ich mich auch nicht darüber, dass ich als kinderloser Single mehr zahle in den Gemeinschaftstopf. Ich kann, also ist es doch vernünftig, dass ich es tue.
        Aber warum sollte ich es toll finden, in einer Gegend zu wohnen, in der ich mich abends nicht auf die Straße trauen kann?

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  3. Flowermaid · Oktober 26, 2016

    … es ist so eine ‚ ich bin nicht wie du‘ und obwohl wir uns lieben möchte ich keinen ‚Partner Look’… Sache… wisst ihr wie viele Schattierungen von Rosa es gibt?! Für jede Seele ist der ureigenste Farbton dabei… 😉

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